Arbeitsformen

Die Arbeitsformen in der Porzellanindustrie

 

Auf der Startseite dieser Rubrik (Formgebung) haben wir den Ablauf der Formenherstellung beschrieben. Als erstes werden aus der Mutterform die sogenannten Arbeitsformen hergestellt. In der traditionellen Porzellanherstellung werden Arbeitsformen als Gipsformen ausgeführt. Warum gerade das Formenmaterial Gips für die Porzellanherstellung so hilfreich ist, erklären wir auf der Seite Gipsformen. Wie die Arbeitsformen selbst hergestellt werden, zeigen wir auf unserer Seite Formenbau.

In der traditionellen Porzellanherstellung geben die Arbeitsformen der feuchten Masse ihre Form. In ihnen wird das Porzellan hergestellt. Sie werden grundsätzlich als Negativformen ausgeführt und in allen klassischen Herstellungsarten verwendet.

 

  • Drehen (Eindrehen)
  • Rollen (Überrollen)
  • Pressen (Druckpressen)
  • Gießen

Die Arbeitsform bestimmt einen erheblichen Teil der Qualität eines Porzellanartikels. Die Anzahl der Fehlerquellen ist dabei äußerst groß. Die am meist vorkommenden Fehler seien hier genannt:

 

  • Verlust der Konturen durch Abnutzung
  • Risse und Blasen aufgrund fehlender Dichte
  • Löcher und Kanten durch Feststoffrückstände
  • Wulste und Nähte durch Herstellung unsauberer Formen
  • Glasurkanten durch Abscheidung von Sodiumsilikaten 

 

Kostenfaktor Arbeitsformen

Die Arbeitsformen stellen in der klassischen Porzellanherstellung einen erheblichen Kosten- und Leistungsfaktor dar. Zum einen müssen sie mühsam von Hand gefertigt werden, zum anderen sind sie nicht unbegrenzt haltbar. Wir oft eine Form zur Herstellung von Porzellan verwendet wird, entscheidet oft - ohne es zu wissen - der Kunde durch seine Preisvorgaben.

Je niedriger die Preisvorgabe, desto länger wird eine Form verwendet. Das führt i.d.R. zum Verlust der Konturen eines Artikels. Besonders betroffen davon sind: 

  • Stapelkanten von Tassen, Schalen und Bechern
  • Das Verwaschen von Reliefs und Ausprägungen
  • Unterschiedliche Wandstärken

 

Dazu ein Beispiel:

Die Porzellanbowls "Vexus" von Holst Porzellan sind aufgrund ihrer asymmetrischen Formgebung sehr kompliziert in der Herstellung. Bei dieser Art der Gießform ermüdet die Gipsform - je nach Temperatur und Luftfeuchtigkeit -, bereits nach 60 bis 90 Artikeln. Wir haben mit unserem Partnerwerk vereinbart, dass die Form nach 80 Stück ausgewechselt wird. Das Gewicht der Gießform einer 28 cm großen Vexus-Bowl beträgt 6,3 kg.

Um 2.000 Vexus-Bowls herzustellen, bedarf es 25 Arbeitsformen. Am Ende der Produktion verbleiben der Fabrik damit 157,5 kg Gipsformen-Müll. Für eine weitere Verwendung zur Porzellanherstellung ist dieser Gipsmüll nicht geeignet bzw. fehlt es den Fabriken an geeigneter Technik. Bislang wird dieser Produktionsabfall im Baugewerbe billigst verwendet.

2.000 Vexus-Bowls ergeben ein Gewicht an Fertigerzeugnissen von 3.600 kg. Bei der Produktion solcher Gießartikel fällt i.d.R. 5 bis 10% C-grade - also Fehlware - an. Diese wird vor Ort vernichtet. Um 3.600 kg versandfertiges Porzellan herzustellen, verbleiben dem Werk damit rund 517 kg, also 15% Abfallentsorgung.

Übrigens fallen bei der Porzellanherstellung auch erhebliche Mengen chemischer Abfälle an, die durch Spezialunternehmen entsorgt werden müssen. Leider (Stand 11/2019) ist nur die Überwachung solcher Abfälle, wie auch Sondermüll, Bestandteil einer BSCI-Qualifizierung. Im Bewusstsein unserer Verantwortung bemühen wir uns, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln, auf eine umweltschonende Entsorgung aller Produktionsabfälle hinzuwirken. Sicher, wir können die Welt nicht retten, aber vielleicht einen kleinen Beitrag dazu leisten.


 

Die Arbeitsformen für das Gießen

 

 
In der Porzellanherstellung erfolgt das Gießen von Hohlteilen in mehrteiligen Gussformen. Ob nun auf modernen Gießstraßen - wie in diesem Video gezeigt - oder auf den etwas altertümlichen Gießtischen - das Prinzip ist immer identisch. Die Gießform muss bewegt werden, damit sich die Porzellanmasse gleichmäßig in der Form verteilt. Dabei entzieht die Gipsform der Porzellanmasse die Feuchtigkeit. Es bildet sich quasi eine Porzellanhaut von außen nach innen. Je nach gewünschter Wandstärke des Hohlteils, z.B. einer Kanne, Terrine oder einer Dose, verbleibt die flüssige Porzellanmasse bis zu 20 min. in der Form. Hat sich eine ausreichende Wandstärke gebildet, wird die überschüssige Porzellanmasse abgeschüttet. Die Form kann dann vorsichtig geöffnet weden. Erfahren Sie hier mehr über das Herstellungsverfahren des Gießens

 

Die Arbeitsformen für das Pressen

 

 

Großvolumige Artikel wie Platten, Schalen oder auch große Teller werden mit sogenannten "Pressformen" hergestellt. Üblich ist dabei das sogenannte Druckpressen mit zweiteiligen Formen (siehe Bild). Im Englischen nennt man dieses Verfahren auch "High-Pressure-Casting" - also übersetzt "Hochdruckgießen". Rein fachlich gesehen ist das übrigens nicht korrekt.

Die flüssige Porzellanmasse wird durch ein Leitungssystem im Boden von unten in einen Formenturm "eingepresst". Dabei bahnt sich die Masse ihren Weg von Form zu Form von unten nach oben. Solche Pressformen sind die teuersten, größten und schwersten Gipsformen in der Porzellanherstellung. Während bei den Drehformen eine einzige Arbeitsform ausreicht, müssen bei Pressformen zwei Teile als Ober- und Unterteil angefertigt werden. Damit erklärt sich der erhebliche Preisunterschied zwischen einem runden Teller und einer gleichgroßen eckigen Platte. Eckige Artikel, die nicht im Rollverfahren hergestellt werden können, müssen generell auf diese oder ähnliche Weise gepresst werden. Erfahren Sie hier mehr über das Herstellungsverfahren des Pressens. 


 

Die Arbeitsform für das Drehen

 

 
Drehartikel sind Hohlteile wie Tassen, Becher und einfache Schalen. Solche Drehartikel können sowohl auf Gipsformen als auch auf Stahlformen hergestellt werden. Der Name dieser Verfahrenstechnik stammt vom "Eindrehen des Stempels in die Form". Es gibt verschiedene Varianten des Eindrehens, die wir Ihnen hier zeigen. Das Video oben zeigt mehrere Arten von Einzelplatzdrehern und Mehrplatzdrehern. Der Stempel kann aus einem speziellen Hartkunststoff oder aus Edelstahl gefertigt sein. Die Arbeitsform selber - also das Unterteil - besteht i.d.R. aus Gips oder einem Kunststoff-Gips-Gemisch. Die Dreher sind die schnellsten aller Arbeitsformen. Erfahren Sie hier mehr über das Herstellungsverfahren des Eindrehens

 

Die Arbeitsformen für das Rollen

 

 

In der traditionellen Porzellanherstellung werden runde Flachteile "überrollt", d.h. ein rotierender Stempel verteilt die Hubelmasse gleichmäßig auf einer Negativform. Im englischen Sprachgebrauch wird diese Technik meist als "Rolling" - also Rollen bezeichnet. Da es im Englischen keine Unterscheidung zwischen Drehen und Rollen gibt, sollte der Zusatz "Exterior" (für das Überrollen) und "Interior" (für das Eindrehen) verwendet werden.

Auf diese Weise werden i.d.R. Flachteile in den Größen von 12 bis 29 cm hergestellt.

Das Besondere an dieser Fertigungsweise ist, dass die Porzellanmasse in der Form selbst so lange aushärtet, bis der Artikel "gestülpt" werden kann und in den nächsten Arbeitsgang gelangt. Je nach geografischer Lage der Fabrik und technischer Ausstattung härtet das Porzellan bis zu 36 Stunden aus. Mit anderen Worten und im schlimmsten Fall bedarf es 652 Produktionsformen, um 3.000 Teller innerhalb einer Woche herzustellen. Doch mit nur 4,67 Produktionsgängen vermag die Form noch hunderte Produktionsgänge mehr zu leisten.

So wird verständlich, warum vor allem Teller aus der traditionellen Porzellanherstellung preislich kaum eine Chance gegen ihre Wettbewerber aus der isostatischen Massenfertigung haben. Erfahren Sie hier mehr über das Herstellungsverfahren des Überrollens.

 

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